Wie funktionieren Kapitänsregel und Stopp-Konzept? Lehrwart Bürk Haubner erläutert die Änderungen für die neue Saison

Zur neuen Saison werden dem Zuschauer bei Amateurspielen einige Neuerungen auffallen. Wie schon zur Europameisterschaft erfolgreich erprobt, hält die sogenannte „Kapitänsregel“ auch im Amateurfußball Einzug. Ebenfalls neu ist das sogenannte Stopp-Konzept, das bei sich anbahnenden überkochenden Emotionen deeskalierend auf alle Beteiligten wirken soll. Unser Schiedsrichter-Lehrwart Bürk Haubner hat dazu einige Fragen im Vorfeld der neuen Saison beantwortet:

Frage: Bürk, zur neuen Saison gibt es mit der Kapitänsregel und dem Stopp-Konzept zwei neue Regeln, die relativ große Auswirkungen auf den Amateurfußball haben könnten. Die erste Regel wurde bereits bei der EM getestet und stieß dort auf ein positives Echo. Erklär uns einmal, was genau es mit der Kapitänsregel auf sich hat!

Bürk Haubner: Bei der Kapitänsregel soll vermieden werden, dass sich nach einer potentiellen spielendscheidenden Situation mehrere Spieler „auf den Schiri stürzen“ und diesen dann verbal belagern. Hier hat der Spielleiter nun die Möglichkeit, durch das entsprechende Zeichen (zur Seite waagerecht ausgestreckter Arm) den Spielern anzuzeigen, eine Distanz von vier Metern einzuhalten. Lediglich der Kapitän hat dann die Möglichkeit beim Schiedsrichter nachzufragen und sich die Entscheidung erklären zu lassen. Einzig wenn der Torwart der Kapitän der Mannschaft ist, fällt dieses Recht dann auf einen Feldspieler seines Teams, welcher vor dem Spiel dem Schiedsrichter zu benennen ist. Wichtig ist hierbei dennoch, dass sich auch der Kapitän sportlich fair gegenüber dem Referee verhalten muss. Tut er dies nicht, hat der Schiedsrichter dennoch die Möglichkeit, auch ihn zu verwarnen. Auch Spieler, welche sich dann nicht an die entsprechenden Abstandsregel halten, werden mit der gelben Karte bestraft.   

Frage: Teilweise wurde in den Medien berichtet, dass grundsätzlich nur noch der Kapitän mit dem Schiedsrichter sprechen darf. Dies ist jedoch nicht korrekt, oder?

BH: Diese Definition ist nicht korrekt. Auch andere Spieler dürfen weiterhin mit dem Schiedsrichter sprechen. Die neue Regelung findet lediglich in Situationen Anwendung, welche spielentscheidend sein können (Tor Ja/Nein, Abseits mit (potenziellen) Torfolgen Ja/Nein, Strafstoß Ja/Nein, Platzverweise). Bei „einfachen Entscheidungen“ (Einwürfe, Freistöße im Mittelfeld, usw.) können auch weiterhin alle Spieler mit dem Schiedsrichter sprechen und werden dafür nicht saktioniert. Vorraussetzung ist dabei allerdings, dass sie dies in einer angemessenen und sportlich fairen Art und Weise tun.

Frage: Auch das Stopp-Konzept erregte relativ viel Aufsehen. Erklär uns doch bitte einmal, wann genau dies angewendet wird!

BH: Hier wird den Schiedsrichtern ein neues Werkzeug an die Hand gegeben, um in schwierigen Situationen das Spiel zu beruhigen und Eskalationsphasen zu unterbinden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn massive verbale Anfeidungen von außen in Richtung des Schiedsrichters oder auch in Richtung von Spielern erfolgen. Aber auch wenn es vermehrt auf dem Feld zwischen den Spielern zu Konflikten kommt und der Schiedsrichter die ordnungsgemäße Fortführung des Spiels als gefährdet ansieht, kann er dies Stopp-Konzept anwenden. Ein klassisches Beispiel hierfür sind vermehrte Rudelbildungen.

Frage: Wie genau zeigt der Schiedsrichter diese Unterbrechung an und wie oft pro Spiel kann dies angewendet werden?

BH: Der Schiedsrichter kann diese Unterbrechnung maximal zwei Mal pro Spiel anwenden. Sollten diese zwei Unterbrechungen keine Wirkung zeigen, muss er dann das Spiel beim dritten Mal abbrechen. Will der Schiedsrichter das Stopp-Konzept zur Unterbrechung anwenden, muss er zunächst das Spiel per Pfiff unterbrechen und überkreuzt dann die Handgelenke über dem Kopf. Anschließend streckt er die Arme auf Schulterhöhe voneinander weg und deutet mit einer seitlichen Stoßbewegung an, dass sich die Spieler in ihren jeweiligen Strafraum begeben müssen. Sollten allerdings Sicherheitsbedenken bestehen kann er ein Team auch an einen anderen Ort als in den Strafraum schicken. 

Frage: Welche Auswirkungen erwartest du für die Spiele im KVFZ? Erhoffst du dir eine höhere Disziplin durch diese beiden Maßnahmen?

BH: Es wäre schön wenn diese beiden Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen würden. Bei der Umsetzung der Kapitänsregel hat die EM deutlich gezeigt, dass die konsequente Umsetztung eindeutig Sinn ergibt und die Akzeptanz der Schiedsrichter erhöht. Ich selbst kenne Szenen aus den Spielklassen im KVFZ, in denen nach einer klaren Strafstoßentscheidung mehrere Spieler sofort den Schiedsrichter belagern. Dies sollte hiermit nun ein Ende haben. Natürlich sind die Schiedsrichter nun auch angehalten, diese Regel konsequent umzusetzen. Beim Stopp-Konzept haben erste Erfahrungen eines andern Landesverbandes bereits gezeigt, dass die Anwendung die gewünschte Wirkung zeigt. Somit bleibt natürlich die Hoffung, dass dies auch im KVFZ der Fall sein wird und sich die Disziplin der Mannschaften, aber besonders auch der Zuschauer erhöhen wird.

Frage: Wie werden die Schiedsrichter und Beobachter bezüglich der neuen Regeln geschult?

BH: Alle Schiedsrichter und Beobachter habe diese Regelanpassungen bereits in Textform erhalten. Dennoch werden wir diese Neuerungen zu den nächsten beiden Schiedsrichter-Lehrabenden und der Beobachtertagung nochmals intensiv erklären. Aber auch die Abteilungsleiter aller Vereine werden zu ihrer Tagung am 17.08.24 in Hartenstein hierzu nochmals geschult werden. Der DFB hat außerdem ein kurzes Lehrvideo zur Kapitänsregel produziert, dass die Anwendung ganz gut beschreibt und das sich hier angeschaut werden kann.

Frage: Gibt es sonst noch neue Regeln, auf die sich Spieler und Zuschauer in der neuen Saison einstellen müssen?

BH: In diesem Jahr bleiben die Mannschaften, Schiedsrichter und Zuschauer von tiefgreifenden weiteren Regeländerungen verschont. Zumeist handelt es sich nur um geringe Anpassungen in der Regelauslegung. Am Relevantesten ist dabei, dass Schiedsrichter jetzt die Möglichkeit haben bei einem Handspiel im Strafraum, die persönliche Strafe analog zu einem Fußvergehen zu reduzieren. Hier unterscheiden sie nun zwischen „strafbaren absichtlichen Handspiel“ (Hand geht zum Ball) oder „strafbaren unabsichtlichen Handspiel“ (Ball geht zur Hand / unnatürliche Verbreiterung der Trefferfläche). Weitere Änderungen wird es außerdem bei Durchführungen von Juniorenspielen geben. Hier sind zum Beispiel die Anzahl der Auswechslungen einheitlich auf 7 Wechseloptionen plus Rückwechsel angepasst worden. [BS]